Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Anschnallpflicht bei einem Verkehrsunfall nicht in jedem Fall zu einer Minderung der Schadensersatzansprüche führen muss.
Im vorliegenden Fall waren eine Autofahrerin und ihre beiden Beifahrer bei einem Verkehrsunfall mit einem entgegenkommenden Fahrzeug schwer verletzt worden; ihr Ehemann sogar so schwer, dass er kurz darauf verstarb. Während des Unfalls war die Fahrerin nicht angeschnallt. Unstrittig ist die Tatsache, dass der Unfallgegner den Zusammenstoß verursacht hatte: Er war innerorts mit einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h gefahren. Auf regennasser Fahrbahn hatte er die Gewalt über sein Fahrzeug verloren, war auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen. Die Frau war nach mehrmonatigem Krankenhaus- und Rehabilitations-Aufenthalt auf fremde Hilfe angewiesen und hat seit dem Unfall schwere körperliche und seelische Belastungen und Einschränkungen hinzunehmen.
Mit ihrer Klage machte die Frau restliche Ersatzansprüche geltend und forderte neben 40.000 € Schmerzensgeld auch die Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe sowie Schadensersatz für alle materiellen Schäden. Wesentlicher Streitpunkt zwischen Klägerin und der beklagten Versicherung des Unfallgegners war die Mithaftungsquote der nicht angeschnallten Klägerin. Die Versicherung hatte wegen des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht eine Mithaftung der Fahrerin von einem Drittel gefordert. Sie habe den Sicherheitsgurt nicht angelegt, da sie aufgrund ihres Übergewichts Schwierigkeiten beim Anschnallen habe, argumentierte die Klägerin. Die beklagte Versicherung wandte ein, sie hätte durch das Anschnallen einen Großteil der Verletzungen vermeiden können.
Das LG Karlsruhe hat der Klage stattgegeben.
Das OLG Karlsruhe hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
Laut Sachverständigen hätten der Klägerin bei angelegtem Gurt ähnlich schwere Verletzungen mit möglicherweise tödlichen Bauchverletzungen gedroht. Rein rechtlich gesehen habe die Klägerin zwar gegen die Anschnallpflicht verstoßen, gegenüber der außerordentlich schwer wiegenden Unfallschuld des Unfallgegners trete die grundsätzliche Mithaftung jedoch zurück. Die beklagte Versicherung habe daher die Schäden der Klägerin in vollem Umfang zu ersetzen.
(OLG Karlsruhe 6.11.2009 14 U 42/08)
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