Ein reflexartiges Ausweichen bei einem Wildwechsel (Fuchs) muss nicht grob fahrlässig sein. Demzufolge würde dann nicht zwingend der Kaskoschutz entfallen – entgegen der Meinung der meisten Versicherungen zu Ausweichmanövern vor kleineren Tieren.
Im entschiedenen Fall (BGH, Az. XII ZR 197/05) hatte der Fahrer auf der Autobahn ein leichtes Ausweichmanöver nach rechts aufgrund eines Wildwechsel (vermutlich Fuchs) gemacht. Hierbei hatte er dann die in den Seitenstreifen gebaute Leitplanke touchiert und über 8 TEUR Schaden verursacht. Der BGH vertrat die Auffassung, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit entgegen der Ansicht der Untergerichte einheitlich zu bestimmen ist, im vorliegenden Fall aber im Ergebnis die Feststellung des Untergerichts – es habe keine grobe Fahrlässigkeit vorgelegen – nicht beanstandet wird. Eine generelle Aussage, dass Ausweichmanöver nicht grob fahrlässig sind, wollte der BGH ausdrücklich nicht treffen! Er wies vielmehr darauf hin, dass zum Beispiel ein unkontrolliertes Ausweichmanöver zusammen mit einem scharfen Bremsen und hieraus resultierender Kontrollverlust über das Fahrzeug durchaus grob fahrlässig sein kann. Es kommt also wieder einmal auf den berühmten Einzelfall an.
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Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu bewerten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. … Sie erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln. Diese tatrichterliche Würdigung ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Im vorliegenden Fall lässt die Wertung des Oberlandesgerichts, der Beklagte habe nicht grob fahrlässig gehandelt, im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen, der zur Aufhebung des Berufungsurteils führte.
Unzutreffend ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, der Begriff der groben Fahrlässigkeit sei jeweils nach der konkreten Versicherungssituation unterschiedlich zu definieren. Vielmehr wird, worauf die Revision zu Recht hinweist, der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs grundsätzlich einheitlich bestimmt (vgl. BGH Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118 m.w.N.). An diesem Grundsatz ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten. Die vom Berufungsgericht befürwortete unterschiedliche Definition des Begriffs führte im Versicherungsrecht wegen der zahlreichen verschiedenen Arten von Versicherungen zu einer kaum noch überschaubaren Aufsplitterung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit und damit zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit. Die gegenteiligen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen jedoch seine Bewertung unberührt, der Beklagte habe im konkreten Fall nicht grob fahrlässig gehandelt.
Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts, das reflexartige Ausweichen des Beklagten als Reaktion auf das plötzliche Auftauchen eines Fuchses stelle grundsätzlich kein grob fahrlässiges Fehlverhalten dar, nötigt – im Gegensatz zur Meinung der Revision – im Ergebnis nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils. Zwar mag die Aussage des Berufungsgerichts, eine Reflexhandlung stelle grundsätzlich kein grob fahrlässiges Fehlverhalten dar, zu weit gehen und zu allgemein sein. So wäre in der Situation des Beklagten ein reflexartiges abruptes und unkontrolliertes Ausweichmanöver verbunden mit einer scharfen Abbremsung, aufgrund dessen der Fahrer die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert, in der Regel auch subjektiv als grob fahrlässig begangener Fahrfehler zu bewerten.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass im konkreten Fall die Würdigung des Berufungsgerichts Bestand hat, wonach dem Beklagten subjektiv grobe Fahrlässigkeit nicht anzulasten ist. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ist davon auszugehen, dass der Beklagte, als zum Unfallzeitpunkt ein Fuchs die von ihm nachts mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h befahrene Autobahn kreuzte, reflexartig leicht nach rechts ausgewichen ist und dabei mit dem Fahrzeug der Klägerin die Leitplanke gestreift hat. Dass das Berufungsgericht dies nicht als ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten bewertet hat, liegt im Rahmen seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist rechtlich nicht zu beanstanden. …
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