Das Insolvenzverfahren für Verbraucher soll reformiert werden. Das Bundeskabinett beschloss am 22.08.2007 einen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf. Es sieht unter anderem ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren vor Auch Lizenzen werden künftig besser geschützt, wenn der Lizenzgeber insolvent wird. Insgesamt erhielten redliche Schuldner eine faire Chance für einen Neubeginn ohne Schulden.
Seit 1999 gibt es die Möglichkeit der so genannten Restschuldbefreiung. Von den im Insolvenzverfahren nicht bezahlten Schulden wird jeder befreit, der sechs Jahre lang unter Aufsicht eines vom Gericht bestellten Treuhänders versucht, so viel Geld wie möglich an die Gläubiger zurückzuzahlen. Im Gegenzug darf während dieser Zeit kein Gerichtsvollzieher den Besitz des Schuldners pfänden. Der Arbeitgeber des Schuldners hat den pfändbaren Teil des Einkommens an den Treuhänder abzuführen. Der verteilt das eingegangene Geld einmal jährlich an die Gläubiger. Läuft das Verfahren in dieser Weise korrekt ab, werden die verbliebenen Schulden nach sechs Jahren gestrichen.
Mit dem in der Reform vorgesehenen neuen Entschuldungsverfahren sollen vor allem die Kosten gesenkt werden. Laut Zypries kostet das vereinfachte Verfahren dann rund 750 Euro statt wie bisher 2.300 Euro für eine Verbraucherinsolvenz und etwa 1.470 Euro statt 3.900 Euro bei gescheiterten Unternehmern. Insgesamt führe dies zu einer voraussichtlichen Kosteneinsparung bei den Ländern in Höhe von rund 150 Millionen Euro pro Jahr. Ferner sei das geplante Entschuldungsverfahren in das geltende Recht eingebettet, ohne dass ein zusätzliches Sonderverfahren vorgesehen werden müsse, so dass der Regelungsaufwand gering sei. Auch werde über eine Kostenbeteiligung dem Schuldner künftig deutlich gemacht, dass er nur über gewisse Eigenanstrengungen eine Entschuldung erreichen könne, so Zypries weiter. Eine Entschuldung zum Nulltarif soll es nicht mehr geben. Dafür erhielte der Schuldner den Schutz vor Zwangsvollstreckung während der sechsjährigen Wohlverhaltensphase und eine umfassende Entschuldung nach sechs Jahren.
Und so funktioniert das vereinfachte Entschuldungsverfahren: Hat der Schuldner einen Antrag auf Erteilung einer Restschuldbefreiung gestellt und reicht sein Vermögen voraussichtlich nicht aus, die Verfahrenskosten zu decken, bestellt das Gericht einen vorläufigen Treuhänder, mit dem der Schuldner die Formulare für das Entschuldungsverfahren ausfüllt. Nach eingehender Belehrung durch den vorläufigen Treuhänder hat der Schuldner an Eides statt die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben zu versichern. Wird danach der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse abgelehnt, können die Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen. Liegt kein Versagungsgrund vor, so kündigt das Gericht die sechsjährige Wohlverhaltensperiode an. In dieser Zeit treffen den Schuldner die gleichen Obliegenheiten wie in einem normalen Restschuldbefreiungsverfahren. Er hat sich also insbesondere um eine bestmögliche Befriedigung seiner Gläubiger zu bemühen. Gleichzeitig wird der vorläufige Treuhänder nun endgültig bestellt. An ihn muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Einkommens abtreten. Nach Ablauf von sechs Jahren können die Gläubiger ihre Forderungen nicht mehr gegen den Schuldner durchsetzen.
Kommt der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode zu neuem, unvorhergesehenem Vermögen, werden, wenn es sich um pfändbare Einkünfte handelt, die an den Treuhänder abgetreten wurden, zunächst die Verfahrenskosten bezahlt. Das weitere Verfahren bestimmt sich danach, ob die eingegangenen Gelder ihrer Höhe nach eine Verteilung an die Gläubiger rechtfertigen oder ob die Erstellung eines Verteilungsverzeichnisses über ein Feststellungsverfahren unverhältnismäßig wäre. Ordnet das Gericht ein besonderes Feststellungsverfahren an (so bei großer Erbschaft), werden die Gläubiger öffentlich aufgefordert, ihre Forderungen beim Treuhänder anzumelden. Die Feststellung der einzelnen Forderungen erfolgt dann wie in einem Insolvenzverfahren.
In einem bescheidenen Umfang muss sich der Schuldner, der die «Rechtswohltat» einer umfassenden Schuldbefreiung erhalten will, an den Verfahrenskosten beteiligen, so Zypries weiter. Vorgesehen ist ein Kostenbeitrag von 25 Euro zu Beginn des Verfahrens und laufende Zahlungen in Höhe von 13 Euro pro Monat während der Wohlverhaltensperiode. Damit sollen ein Teil der Verfahrenskosten und die Kosten für den Treuhänder abgedeckt werden.
Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung unterliegen Lizenzverträge dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters. Dieser kann beispielsweise in Ausübung dieses Wahlrechts den bisherigen Vertrag zwischen Patentinhaber und Lizenznehmer beenden und einen neuen Vertrag über das Patent mit einem anderen Vertragspartner abschließen. Der alte Lizenznehmer, der möglicherweise viel Geld im Zusammenhang mit der Lizenz ausgegeben hat (etwa für Forschung) konnte seine Schadenersatzansprüche nur als einfache Insolvenzforderung (wegen Nichterfüllung des Vertrages) geltend machen.
Die Bundesregierung hat mit der Reform des Insolvenzrechts laut Zypries den berechtigten Sorgen der lizenznehmenden Unternehmen im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit Rechnung getragen und die Rechtslage in Deutschland an die anderer Länder wie USA und Japan angepasst. Demnach sollen Lizenzen künftig auch im deutschen Recht insolvenzfest ausgestaltet sein. Das heißt im Klartext: Der Lizenzvertrag unterliegt künftig nicht mehr dem Wahlrecht des Verwalters, sondern behält im Insolvenzverfahren seine Gültigkeit. Ferner hat die Masse nur die Nebenpflichten zu erfüllen, die für eine Nutzung des geschützten Rechts unumgänglich sind. Und bei einem krassen Missverhältnis zwischen der vereinbarten und einer marktgerechten Vergütung kann der Verwalter eine Anpassung verlangen. In diesem Fall hat der Lizenznehmer ein Recht zur außerordentlichen Kündigung.
Aber auch die Gläubiger werden durch das Reformgesetz im Insolvenzverfahren gestärkt. So berücksichtigen die im Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, das heißt, Sondervorschriften für den Fiskus und die Sozialkassen werden nicht geschaffen. Mit § 14 InsO wird ferner eine Regelung geschaffen, die wiederholte Anträge durch einen Gläubiger vermeiden soll. Der Entwurf sieht ferner eine Vorschusspflicht für die Verfahrenskosten für solche Personen vor, die – wie etwa Geschäftsführer einer GmbH – zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet sind und diese Pflicht schuldhaft verletzt haben. In § 55 Abs. 2 InsO wird künftig klar gestellt, dass Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter im Wege einer von dem Insolvenzgericht erteilten Einzelermächtigung begründet wurden, einschließlich der hierdurch entstehenden Steuer, als Masseverbindlichkeiten angesehen sind. Schließlich sieht das Gesetzesvorhaben die Einführung eines neuen Versagungsgrundes bei der Restschuldbefreiung für Schuldner vor, die Eigentums- oder Vermögensdelikte begangen haben oder wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurden.
Der Bundesrat wird sich nun in einem ersten Durchgang mit dem Regelungsvorschlag befassen. Die Bundesregierung will nach eigenen Angaben das parlamentarische Verfahren bis zum Frühjahr 2008 abschließen. Zustimmungsbedürftig ist der Gesetzentwurf nicht.
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