Der Bundesgerichtshof hat in einem Rechtsstreit über nacheheliche Unterhaltspflichten entschieden, dass sich nach Scheidung und Neuverheiratung des Unterhaltspflichtigen die Ansprüche der geschiedenen und der neuen Ehefrau wechselseitig zur Höhe beeinflussen. Der jeweilige Bedarf sei dann aus einer Drittelung des vorhandenen Einkommens zu ermitteln. Zudem habe sich seit 01.01.2008 auch der Rang der Unterhaltsansprüche geändert, wenn aus der zweiten Ehe Kinder hervorgehen und der zweite Ehepartner sich um ein noch minderjähriges Kind kümmere. Im Rang stehe dann hinter dem an erster Stelle stehenden minderjährigen Kind der betreuende Elternteil. Der geschiedene Ehegatte folge erst auf dem dritten Rang. Wie der BGH mitteilte, hat er im Rahmen dieser Entscheidung auch seine Rechtsprechung zur Behandlung des Splittingvorteils geändert (Urteil vom 30.07.2008; Az.: XII ZR 177/06).
Der Kläger und die Beklagte hatten sich 2002 nach 24 Ehejahren getrennt, die kinderlose Ehe wurde 2005 rechtskräftig geschieden. Die Parteien schlossen im Scheidungsverbundverfahren einen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte, die seit 1992 vollschichtig als Verkäuferin arbeitete und eigene Einkünfte von rund 1175 Euro zur Verfügung hatte, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 600 Euro zu zahlen. Der Kläger, der nach wie vor als Lehrer mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe A 12 tätig ist, begehrte nun den Wegfall seiner Unterhaltspflicht für die Zeit ab Oktober 2005 und Rückzahlung der seit Rechtshängigkeit des Verfahrens gezahlten Unterhaltsbeträge. Er berief sich darauf, im Oktober 2005 wieder geheiratet zu haben und die bereits am 01.12.2003 geborene Tochter seitdem zu unterhalten.
Der BGH ging bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der geschiedenen und der neuen Ehefrau des Beklagten nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) von seiner neueren Rechtsprechung aus, wonach nicht nur ein späterer Einkommensrückgang, sondern auch ein späteres Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen sei (BGH, NJW 2008, 1662).
Nunmehr sei der jeweilige Bedarf aus einer Drittelung des vorhandenen Einkommens zu ermitteln. Soweit nur ein Unterhaltsberechtigter Ehegatte vorhanden sei, ergebe sich dessen Bedarf aus einer Halbteilung des vorhandenen Einkommens. Dem Halbteilungsgrundsatz könne aber nicht entnommen werden, dass dem Unterhaltspflichtigen stets und unabhängig von der Zahl der Unterhaltsberechtigten immer die Hälfte seines Einkommens verbleiben müsse. Diesem Grundsatz sei vielmehr lediglich zu entnehmen, dass dem Unterhaltspflichtigen stets so viel verbleiben müsse, wie ein Unterhaltsberechtigter durch eigene Einkünfte und den ergänzenden Unterhalt zur Verfügung habe. Bei nur einem unterhaltsberechtigten Ehegatten sei das die Hälfte, bei einem früheren und einem neuen Ehegatten ein Drittel.
Der BGH nahm den Fall zugleich zum Anlass, seine Rechtsprechung zur Behandlung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe zu ändern. Nach der zum früheren Recht ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BGH musste der Splittingvorteil stets der neuen Ehe verbleiben. Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau musste deswegen auf der Grundlage eines fiktiven und geringeren – weil nach der Grundtabelle zu versteuernden – Einkommens errechnet werden. Weil sich nunmehr der Unterhaltsbedarf der geschiedenen und der neuen Ehefrau wechselseitig beeinflussen würden, könnte der BGH diese Rechtsprechung aufgeben. Allerdings dürfe ein geschiedener Ehegatte nicht mehr Unterhalt erhalten, als ihm ohne Einbeziehung des Splittingvorteils zustünde, wenn er allein unterhaltsberechtigt wäre.
Hinsichtlich des Ranges der Unterhaltsansprüche rügte der BGH als rechtsfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht die geschiedene und die neue Ehefrau des Unterhaltspflichtigen schon nach dem für Unterhaltsansprüche bis Ende 2007 geltenden früheren Unterhaltsrecht (§ 1582 BGB a.F.) als gleichrangig angesehen hatte. Bis Ende 2007 sei der Rang der Unterhaltsansprüche mehrerer Ehegatten vornehmlich durch den Prioritätsgedanken bestimmt gewesen. Ein neuer Ehegatte habe sich danach auf die schon bestehenden Unterhaltspflichten einrichten müssen und im Mangelfall nur den Unterhalt bekommen können, der dem Unterhaltspflichtigen nach Erfüllung der Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau unter Wahrung seines eigenen Selbstbehalts zur Verfügung gestanden habe. Bei diesem Vorrang der geschiedenen Ehefrau hat es nach der Entscheidung des BGH für die Unterhaltsansprüche bis Ende 2007 zu verbleiben.
Anders sei dies aber für Unterhaltsansprüche ab Januar 2008. Das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz habe insoweit eine neue Rangfolge festgelegt. An die Stelle des Prioritätsgedankens sei das Gewicht der einzelnen Unterhaltsansprüche getreten. Nach den im ersten Rang stehenden Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder seien im zweiten Rang stets die Ansprüche Kinder betreuender Eltern auf Betreuungsunterhalt zu befriedigen. Weil die neue Ehefrau des Beklagten das gemeinsame Kind betreute, das noch keine drei Jahre alt sei, sei sie zweitrangig unterhaltsberechtigt. Andere Ehegatten oder geschiedene Ehegatten stünden nur dann im gleichen zweiten Rang, wenn eine lange Ehedauer vorliegt. Dabei sei aber nicht allein auf die Dauer der Ehe abzustellen, sondern es sei gemäß den §§ 1609 Nr. 2, 1578 b BGB entscheidend darauf abzustellen, ob die unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau ehebedingte Nachteile erlitten habe. Da die Beklagte in ihrer 24-jährigen und kinderlosen Ehe hier seit 1992 durchgehend vollschichtig berufstätig gewesen sei und deswegen ehebedingte Nachteile nicht ersichtlich seien, sei ihr Unterhaltsanspruch für die Zeit ab Januar 2008 gegenüber der neuen Ehefrau nachrangig.
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