Grundsätzlich kann ein Schädiger auf Schadensersatz nur bei Verschulden in Anspruch genommen werden. Etwas anderes gilt zwischen Grundstücksnachbarn. Geht von dem einen Grundstück eine Beeinträchtigung des anderen Grundstücks aus und kommt es dadurch zu einem Schaden, haftet der Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks dem Nachbarn auch ohne Verschulden auf einen sog. nachbarrechtlichen Ausgleich. Beispiel: Ein Bauunternehmer führt auf dem Grundstück Erd- und Rüttelarbeiten durch. Dabei hält er die Grenzwerte der DIN 4150 (Erschütterungen im Bauwesen) ein. Trotzdem kommt es zu Erschütterungsschäden am Nachbarhaus. Der Bauunternehmer haftet nicht, weil er wegen der Einhaltung der DIN-Grenzwerte seine Sorgfaltspflichten erfüllt hat und ihm daher kein Verschulden vorzuwerfen ist. Zwar ist dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Rüttelarbeiten durchgeführt wurden, ebenfalls kein Verschulden vorzuwerfen. Gleichwohl haftet er verschuldensunabhängig auf sog. nachbarrechtlichen Ausgleich, was einem Schadensersatz sehr nahe kommt. Zur Diskussion steht, ob nicht auch der „störende“ Bauunternehmer ebenso haften muss, da doch er der eigentliche Verursacher des Schadens am Nachbargrundstück ist. Diese Diskussion hat der BGH beendet und es bei dem Grundsatz belassen, dass der Bauunternehmer für Schäden nur bei Verschulden haftet. Der für den Nachbarn tätig werdende Bauunternehmer steht außerhalb des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, so dass er zu einem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleich nicht herangezogen werden kann.
(BGH, Urteil vom 16.07.2010 – V ZR 217/09)
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