Der Auftragnehmer ist nicht an seine Schlussrechnung gebunden!
Die Schlussrechnung eines Werkunternehmers entfaltet – von den Fällen des § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgesehen – keine Bindungswirkung zu Lasten des Auftragnehmers.
Der Auftragnehmer ist deshalb nicht gehindert, auch noch nach Stellung der Schlussrechnung solche Forderungen geltend zu machen, die nicht in die Schlussrechnung aufgenommen worden sind, aber in ihr hätten enthalten sein können.
Derartige Ansprüche werden allerdings gemeinsam mit den in der Schlussrechnung enthaltenen Forderungen fällig und verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.
So hat es das OLG Hamm mit Urteil vom 21.02.2012 (21 U 93/11) entschieden.
Der entschieden Sachverhalt war folgender:
Der Auftragnehmer erhielt im Jahr 2000 den Auftrag zur Ausführung von MSR-Technik. Die VOB/B ist vereinbart. Als es zu Verzögerung im Bauablauf kommt, führte der AN auf Anordnung des Auftraggebers Beschleunigungsmaßnahmen durch. Nach Abnahme der Leistung stellte er im April 2004 seine Schlussrechnung, mit der er Beschleunigungskosten in Höhe von 540.000 Euro geltend machte. Die Rechnung wurde vom Bauherren zwar kurzfristig geprüft, aber nicht bezahlt, woraufhin der Auftragnehmer Mitte 2005 Klage erhob. Im Verlauf des Prozesses stellt sich heraus, dass die tatsächlichen Beschleunigungskosten über 830.000 Euro betrugen. Während der Bauherr insoweit die Einrede der Verjährung erhob, beantragte der Auftragnehmer am 05.03.2010, ihm weitere 290.000 Euro zuzusprechen.
Ohne Erfolg! Zwar entfaltet die Schlussrechnung – von den Fällen des § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgesehen – keine Bindungswirkung zu Lasten des Auftragnehmers, so dass der AN nicht gehindert ist, auch nach Stellung der Schlussrechnung noch Ansprüche aus dem betreffenden Bauvorhaben geltend zu machen. Allerdings ist der weitergehende Vergütungsanspruch verjährt. Nach Prüfung der Schlussrechnung bzw. dem Ablauf der zweimonatigen Prüffrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B werden nicht nur diejenigen Forderungen fällig, die in der Rechnung enthalten sind, sondern zudem solche, die in die Schlussrechnung nicht aufgenommen worden sind, aber in ihr hätten enthalten sein können. Insoweit gilt eine einheitliche Fälligkeit für alle Ansprüche aus einem einheitlichen Auftrag. Die Verjährung begann vorliegend gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB am 31.12.2004 und endete am 31.12.2007. Die im Jahr 2005 erhobene Klage hat nicht zu einer Hemmung der Verjährung in Bezug auf erst später geltend gemachten 290.000 Euro geführt. Wird nur ein Teil eines einheitlichen Anspruchs eingeklagt, wird die Verjährung auch nur insoweit gehemmt.
Der Grundsatz, dass der Auftragnehmer nicht an seine Schlussrechnung gebunden ist, wird lediglich von § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B durchbrochen. Danach schließt die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung etwaige Nachforderungen aus, wenn der Auftragnehmer über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen wurde. Diese Regelung ist allerdings AGB-widrig und unwirksam, wenn man – wie dies der Praxis üblich ist – die VOB/B nicht „als Ganzes“ vereinbart hat (BGH, IBR 2002, 1; BGH, IBR 1998, 235; OLG Köln, IBR 1996, 17; OLG Hamm, IBR 1995, 422). Zudem muss der Hinweis auf den mit einer vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung verbundene Ausschluss etwaiger Nachforderungen ausdrücklich erfolgen. Die Erklärung, dass „diese Mitteilung unter Hinweis auf die Ausschlusswirkung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B erfolgt“, genügt dieser Anforderung nicht (vgl. KG, IBR 2000, 380).
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